Riverside - Out of myself (Duo-Review)
proggies.ch Track-by-Track DUO-Review
Daniel Eggenberger:
Ab und zu gibt es Ueberraschungen im Musikbereich, die man schlicht und einfach nicht fassen kann. Da liegt mir nun seit geraumer Zeit ein Album einer polnischen Band names Riverside vor, dass ich immer und immer wieder anhören muss, ja richtig gehen faszinierend auf mich wirkt, mich süchtig macht. Und da hab ich mir doch ins Auge gefasst, was über das Album zu schreiben. Aber so simpel ist das nicht, denn diese Musik ist alles andere als einfach zu beschreiben, denn es beinhaltet irgendwie alles – Prog, New Artrock, HeavyRock, sphärische Elemente.
Roman Stalder:
Ihr erstes Konzert in Europa spielten Riverside gerade kürzlich in Holland anlässlich des Prog Power Festivals und die anwesenden Progfans, unter anderem auch Mitglieder der renommierten DPRP, konnten sich mit Lobeshymnen kaum zurückhalten. Und das absolut zu Recht! Riverside besitzen ein grosses Potential welches sie bereits auf ihrem Debütalbum voll ausspielen. Den Stil von Riverside zu beschreiben gestaltet sich dann aber in etwa so schwierig wie den Begriff "Progressive Rock" zu definieren. Ich versuche es trotzdem: Die Polen spielen auf ihre ganz eigene Art und Weise eine Mischung aus atmosphärisch-verspielten Pink Floyd, neo-proggigen Marillion, düster-metallischen Dream Theater und psychedelischen Porcupine Tree. Na, alles klar?
1.) The Same River
Daniel: Diese Stück beginnt genau mit dieser Art Bombast-Atmosphäre, die ich am Album so liebe. Die Gitarren übernehmen ganz klar den Lead-Part, werden aber tatkräftig vom pulsierenden Bassspiel und den sphärischen Keyboardparts unterstützt. Man gelangt richtig gehend in eine Art Delirium. Mit über 12 Minuten ist dieser Track der längste auf der Platte und bis auf wenig Text fast gänzlich instrumental.Die Stimme von Sänger und Bassist Mariusz Duda offenbart sich sehr angenehm und erinnert mich an Opeth's Mikael Akerfeldt. Die Gitarrensoli von Piotr Grudzinski sind zauberhaft und göttlich interpretiert.
Roman: Eine einzigartige, fast schon süchtig machende Atmosphäre wird bereits zu Beginn erzeugt und lässt einem nicht los. Genial der Spannungsaufbau, floydige Gitarrenklänge als Einleitung, dann eine einprägsame, sich wiederholende Gitarrenmelodie, sphärisches Keyboard, ein stetig vorantreibender Bass! Willkommen auf der Tour de Prog. Die 12 Minuten vergehen wie im Flug und man wünscht sich eigentlich, dass es noch weitergeht, so genial sind diese Melodiebögen!
2.) Out of myself
Daniel: Groovender Bass in bester Floyd-Manier eröffnet dieses Stück. Ein Hammersong per excellence!! Irgendwo zwischen Heavy und Electro-Pop siedelt sich die Musik an. Der Gesang darf hier auch mal agressiver klingen. Traurigkeit und Wut entwickeln sich zu einem emotionalen Ende.
Roman: Der wohl härteste Song auf dem Album. Hier erkennt man vielleicht am ehesten, dass einige Mitglieder der Band im Metalbereich verwurzelt sind. Ein treibender Bass führt diesen Song an, der in gewissen Teilen dann sogar in poppige Gefilde geht, bietet aber doch wiederum sehr rockige Passagen mit agressiven Gesang. Hätte durchaus gewisses Hitpotential!
3.) I believe
Daniel: Eine traumhafte wie auch zugleich dramatische Ballade. Grudzinski packt die akustische Klampfe aus. Der Text wie auch die Melodien gehen tief ins Ohr und lassen dich nicht mehr los. Duda's Stimme ist einfach wunderschön.
Roman: Als ich diesen Song zum ersten Mal gehört habe, dachte ich zuerst das sei Porcupine Tree. Es ist in der Tat erstaunlich wie Riverside hier das Songgefühl eines Steven Wilson reproduzieren können. Es ist diese melancholische Grundstimmung gepaart mit akustischer Gitarre und zerbrechlicher Stimme, bei der selbst der hartgesottene Progger zum Taschentuch greift.
4.) Reality dream
Daniel: Dieses Instrumental ist mein absoluter Favorit. Während das gespentische Intro noch alles völlig offen lässt, wird nach knapp einer Minute die Katze aus dem Sack gelassen. Keyboarder Jacek Melnicki weckt den gespannten Zuhörer mit einer Synthi-Sequenz und gleich darauf folgend mit einem Keyboard-Soli. Keyboard und Gitarre klatschen und wechseln sich mit dramatischen Duells ab. Nach einem sphärischen Mittelteil folgt dann diese verdammt geile Gitarrenmelodie, bei der ich beim Zuhören mit dem Auto fast einen Unfall gebaut hätte. Der Song wird dann noch richtig proggig mit tollen Gitarrenriffs, ehe ein Telefonklingeln plötzlich Ruhe einbringt.
Roman: Dieser Song ist sehr abwechslungsreich aufgebaut, mit unzähligen Spannungsbögen, Keyboard und Gitarre wechseln sich gegenseitig ab, vor allem Gitarrist Piotr Grudzinski schüttelt wieder geniale Solis aus dem Ärmel und sorgt zu den richtigen Momenten auch mal für agressivere Töne. Hier kommt auch der Bass sehr schön zur Geltung, der mit dem getriggerten Schlagzeug einen herrlichen Rhytmusteppich bildet.
5.) Loose heart
Daniel: Ein weiterer sphärischer Song mit Gänsehaut-Gesangsmelodie und gespentischen Synthiflächen. Gekrönt durch märchenhafte Gitarrensoli. Auch experimentieren Riverside mal mit Drumloops. Sehr interessant. Dann das spannende Outro mit diesem gegrunzten Raise me up, don't let me fall. Affenstark!!!
Roman: Zu Beginn erinnert mich das Gitarrenspiel an Marillion, dann entwickelt sich ein sehr gelungener, melodiöser Song mit schönen Gesangsharmonien. Erwähnenswert auch die gefühlvollen Gitarrenausflüge. Als Finale erwartet uns dann ein spannungsgeladenes an Rockdramatik kaum zu überbietendes Stück Progrock gewürzt mit diesem sogenannten Metal-Gegrunze. Normalerweise bin ich nicht so Fan davon, aber hier passt es einfach wie die Faust aufs Auge und ich habe mich sogar schon beim inbrünstigen "Mitgrunzen" erwischt! Einfach sackstark.
6.) Reality dream II
Daniel: Der zweite Teil und wiederum völlig intstrumental. Allerdings nicht ganz so komplex wie Teil 1, aber dennoch sehr proggig. Dafür performt Piotr Grudzinski wiederum so gefühlvolle Gitarrensoli und Mariusz Duda legt dazu einen groovenden Bass-Rhythmus darunter. Auch muss mal das hervorragende Schlagzeugspiel von Piotr Kozieradzki erwähnt werden. Ganz interessant die Synthi-Gitarren-Harmonie-Arpeggi am Schluss.
Roman: Riverside machen Dream Theater in diesem Instrumental alle Ehre. "Kein Anschluss unter dieser Nummer": Das Telefon am Anfang ist wohl als kleine Reminiszenz an Pink Floyds "The Wall" gedacht. Ansonsten sehr proggig, mit vielen Rhytmus- und Stimmungswechseln, von melodiösen Gitarrenlinien geprägt. Dynamisch-packend!
7.) In two minds
Daniel: Ein weiterer persönlicher Favorit von mir. Denn gerade dieser Refrain hatte sich mir tagelang im Hirn festgeklammert. In two Minds ist eine weitere gefühlvolle Ballade, die die eher düstere Stimmung des Albums weiterhin unterstreicht. Auffallend die tollen Synthi-Effekte, die begleitenden Orgelklänge, die megastarken Gitarrensoli sowie die extrem einprägsamen Gesangsmelodien.
Roman: Ich kann mir nicht helfen, aber auch hier werde ich wieder unweigerlich an Porcupine Tree erinnert. Und nein, ich werfe der Band kein Plagiat vor. Dafür ist es einfach zu gut gemacht! Atmosphärisch, melancholisch, gefühlvoll! Ich glaub, Steven Wilson könnte das auch nicht besser hinkriegen.
8.) The curtain falls
Daniel: Glockenartige Keyboardklänge eröfffnen diesen eher ungewöhnlichen Song. Den eher poppigen Untersatz wird spätestens bei Minute 3 den Garaus gemacht. Dann wechselt man wiederum in die sphärische Galaxy und lässt ein weiteres Gitarrensolo aus dem Sack. Man dieser Typ hat es echt drauf. Wiederum dieser pulsierende Groove mit dem Bass. Tja, und dann erwischt man sich beim Luftgitarrenspielen. Vielleicht sollte ich mal an der jährlichen Meisterschaft teilnehmen.
Roman: Ein in sich sehr stimmiger und abwechslungsreicher Song, den man einfach mal gehört haben sollte. Besonders hervorzuheben die exquisite Gitarrenarbeit, mal jaulend, dann floydig-verspielt oder rockig-metallig. Alle Musiker von Riverside zeigen sich einmal mehr in bester Spiellaune! Wie muss dass wohl erst live rüberkommen? Ich hoffe sehr, dass wir die Band bald einmal hier in der Schweiz zu sehen bekommen.
9.) Ok
Daniel: Ein ruhiger, von sphärischen Elementen getragener Bombast-Abschluss-Track. Eher spärlich instrumentiert, dafür umso effektiver. Vorallem die Keyboards setzen hier wesentliche Akzente und dominieren im Gesamtsound.
Roman: Zum Ausklingen ein ruhiger, mit leicht jazzigen Tönen unterlegter Song, so richtig zum Relaxen. Ein perfekter Abschluss.
F A Z I T:
Daniel: Als ich das Album so richtig zum ersten Mal durchhörte und mit dem Auto in der Nacht über einen Pass fuhr, sind mir diverse Bilder vor die Augen getreten . Ich kann euch nur sagen, dass mir das Teil tierisch eingefahren ist. Riverside heben sich ganz klar deutlich von den typischen Progelementen wie man sie vom britschen oder skandinavischen Vorbild kennt, ab. Ihre Musik ist eher dem New Artrock zuzuweisen. Vergleiche sind schwer zu ziehen, aber wenn, dann würde ich mal Porcupine Tree, Pineapple Thief oder vielleicht sogar Radiohead erwähnen. Diese Cd hat sich meinerseits zum Favoriten dieses Jahres entwickelt und ich darf oder besser gesagt muss euch mitteilen, dass darauf Kaufpflicht besteht.
5 von 5 Sternen
Roman: Auf "Out of myself" ziehen Riverside alle Register ihres Könnens und erzeugen eine unglaubliche Dynamik! Auch wenn ich in meiner Review immer wieder Vergleiche mit anderen bekannten Bands aus Progszene gezogen habe, so haben Riverside ihren ganz eigenen Stil.
Melodieverliebte Neo-Progger kommen hier genauso zum Zuge wie Liebhaber der etwas härteren Progsorte. Alles andere als die Höchstwertung für dieses geniale Debütalbum wäre eine Frechheit.
5 von 5 Sternen